Resilienz 🌿⛓
Verletzlich – aber unbesiegbar.
Manche Menschen bewahren trotz widrigster Umstände den Lebensmut, reagieren auf Krisen mit Zuversicht. Forscher nennen diese Fähigkeit und seelische Disposition „Resilienz“. Menschen mit Resilienz sind verletzlich, aber unbesiegbar.
Resilienz bezeichnet eine innere Widerstandskraft, Stärke und Orientierung, die es manchen Menschen mehr als anderen möglich macht, aus traumatischen, belastenden, krisenhaften Phasen im Leben, seelisch und körperlich gesund hervorzugehen. Die schädigende Wirkung „prallt“ an ihnen gewissermaßen ab. Was andere „umbringt“, macht sie stark. Wie das?
Der Begriff Resilienz ist angelehnt an den lateinischen Wortstamm: resilire „zurückspringen, abprallen“.
Im erweiterten Sinne bedeutet Resilienz nicht nur, dass die Rückschläge im Leben auf gewissen Weise „abprallen“, also Krisen überstanden werden, sondern dass Menschen an ihnen auch noch weiterwachsen, durch sie stärker werden. Was oftmals an Wunder grenzt und durch so viele beeindruckende Beispiele belegt werden kann.
Die Kauai-Studie
Pionierin der Resilienzforschung ist zweifellos die amerikanische Psychologin Emmy Werner, die mit der Forschergruppe um Ruth S. Smith über drei Jahrzehnte den Werdegang von rund 700 hawaiianischen Kindern des Jahrgangs 1955 erforscht hat. Die Kauai-Längsschnittstudie von Werner und Smith ist die bekannteste und auch älteste Studie, die das Phänomen „Resilienz“ erstmalig wissenschaftlich erfasst hat.
Ein Drittel dieser Kinder lebte mit einer hohen seelischen und gesundheitlichen Risikobelastung, wie z.B. chronischer Armut, psychischen Erkrankungen der Eltern oder familiärer Disharmonie. 30% dieser Risikogruppe entwickelten sich laut Studie trotzdem gut und zeigten nicht – wie die restlichen zwei Drittel Verhaltensauffälligkeiten. Die Probanden, die sich als resilient erwiesen, konnten Beziehungen eingehen, waren optimistisch, fanden eine Arbeit, die sie erfüllte, hatten eine geringere Todesrate, weniger chronische Gesundheitsprobleme und weniger Scheidungen.
Verblüffenderweise kristallisierten sich sogar ganz im Gegenteil bei ihnen auf den verschiedensten Ebenen protektive Faktoren heraus: etwa eine emotionale und unterstützende Bezugsperson, ein stabiler Familienzusammenhalt, hohe Sozialkompetenzen und positive Selbstwirksamkeit-Erwartungen. Diese Kette schützender Faktoren interagieren miteinander und verstärken sich gegenseitig.
Wir sind dynamische Systeme – wir können uns verändern
Einen ebenso entscheidenden Beitrag zur frühen Resilienzforschung leistete Norman Garmezy.
Der Professor für Psychologie am Institute of Child Development der University of Minnesota gilt als „Großvater der Resilienztheorie“. Er war bekannt für seine Arbeit in der Entwicklungspsychopathologie und entdeckte damals, dass sich viele Kinder schizophrener Eltern zu erfolgreichen, glücklichen Erwachsenen entwickelten. Seine engste Mitarbeiterin Ann Masten führte an der Universität von Minnesota Garmezys Arbeit weiter. Masten bezeichnete Resilienz als „gewöhnliche Magie“ und sagte: „Wir sind in einem Maß reprogrammierbar, wie es sich die Resilienzpioniere nicht einmal vorstellen konnten. Wir sind dynamische Systeme; wir können uns verändern.“[9]
Schon diese frühen Studien machen deutlich, dass die Ressourcen von resilienten Menschen nicht nur auf einer individuellen Ebene den Unterschied machen, sondern dass vor allem auch soziale Schutzfaktoren, wie. z.B. die Bindung an eine stabile emotionale Bezugsperson, einen bedeutenden Stellenwert für eine gesunde Entwicklung haben. Deshalb wäre es komplett falsch, fehlende Resilienz als ein individuelles Charakterdefizit zu interpretieren. Damit Resilienz in Erscheinung treten kann, müssen viele komplexe Faktoren zusammenspielen. Der Einfluss und die Relevanz von Erziehung, Bildung und Familie sowie von sozialen Netzwerken ist dabei sehr hoch.
Resilienz [ʀeziˈli̯ɛnʦ](Deutsch)
Wortbedeutung/Definition:
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- Fähigkeit elastischen Materials, nach starker Verformung
in den Ausgangszustand zurückzukehren - Fähigkeit von Lebewesen, ökonomischen oder sonstigen Systemen,
sich gegen erheblichen Druck von außen selbst zu behaupten
- Fähigkeit elastischen Materials, nach starker Verformung
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Begriffsursprung:
Zugrunde liegt das lateinische Verb resilire „zurückspringen, abprallen
Sinnverwandte Begriffe:
1) Elastizität, Selbstregulation
2) Robustheit, Standhaftigkeit, Widerstandsfähigkeit, Zähigkeit
Kann man die psychische Widerstandskraft erben?
Resilienz ist zwar per se keine angeborene Eigenschaft, sondern wird erst im Verlauf des Lebens durch Interaktion mit vielen Faktoren entwickelt. Allerdings bringen resiliente Menschen bestimmte angeborene Eigenschaften mit. Der Neurowissenschaftler Raffael Kalisch, Mitbegründer des Deutschen Resilienz-Zentrums in Mainz, zählt vor allem drei erbliche Faktoren auf:
- Intelligenz: Sie hilft, kreative Wege aus Krisen zu finden
- Optimismus: Der schafft Vertrauen, dass sich alles zum Guten fügen wird
- Extraversion: Diese Eigenschaft erleichtert es einem, auf Mitmenschen zuzugehen und soziale Bindungen zu knüpfen.
Aber um mehr darüber herauszufinden, welche Gene bei der Entwicklung von Resilienz eine Rolle spielen und was im Gehirn vor sich geht, wenn das Leben anders verläuft als erhofft, sind Langzeitstudien erforderlich. Am Mainzer Forschungsinstitut untersuchen Raffael Kalisch und seine Kollegen derzeit junge Menschen, die sich an einem besonderen Wendepunkt in ihrem Leben befinden: dem Wechsel von der Schulzeit zu Ausbildung und Beruf. Die Probanden sollen mehrere Jahre wissenschaftlich begleitet werden. Wie sehr Resilienz doch möglicherweise auch von den Genen beeinflusst wird, könnte sich also in naher Zukunft klären.
Resilienz als komplexes Zusammenspiel
von Einzelkompetenzen
Nach heutigen Erkenntnissen ist das Phänomen Resilienz sehr viel komplizierter, und auch wissenschaftlich noch längst nicht erforscht und abgeschlossen: Hinter der Resilienz steckt keine geheimnisvolle Kraft, sondern ein komplexer psychischer Mechanismus aus vielen einzelnen Faktoren, von denen manche bekannt sind, andere noch nicht. Daher lautet eine vorsichtig anmutende Erklärung aus der Forschung:
Resilienz ist die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten oder danach schnell wiederherzustellen.
In jedem Fall kann man Resilienz als eine Kompetenz verstehen, die sich aus verschiedenen Einzelfähigkeiten zusammensetzt. Diese Kompetenzen sind nicht nur relevant für Krisensituationen, sondern auch notwendig, um beispielsweise bestimmte Entwicklungsstufen und weniger kritische Alltagssituationen zu bewältigen. Die Einzelkompetenzen entwickeln sich – neben den angeborenen Faktoren – in verschiedensten Situationen, werden unter Belastung aktiviert und manifestieren sich dann als Resilienz.
- Lebensfreude
- Positive/konstruktive innere Kommunikation
- Selbstwirksamkeit / Proaktivität
- Positives Selbstbild / Selbstwertschätzung
- Realistische Ziele / ein Lebensplan, der begeistert
- Emotionale Intelligenz / Freundesnetzwerk
- Glaubenssätze und Werte, die stärken
- Spirituelle Anbindung / Zugehörigkeit
Resilient bedeutet nicht, gefühllos oder unverletzbar zu sein
Resiliente Menschen sind oftmals sehr sensibel und natürlich auch verzweifelt, wütend und ärgerlich.
Sie sind also alles andere als gefühllose Panzer und auch keineswegs unverletzbar. Doch im Unterschied zu weniger resilienten Menschen können sie problematische Zustände besser verarbeiten. Statt zu resignieren handeln sie (pro)aktiv, um ihre Lebenssituation zu gestalten und zu verbessern. Dadurch versetzten sie sich selbst in emotionale Zustände, die ihnen Kraft geben, in denen sie ihre Kraft spüren. Sie tragen keinen bleibenden Schaden davon und sind in der Lage sich zu helfen oder sich helfen zu lassen. Das allerdings auch nicht immer und in jeder Lebenslage. Resilient sein bedeutet keinen Langzeitschutz fürs Leben.
Warum sind nicht alle Menschen gleichermaßen resilient?
Wer sein eigenes Potenzial kennt, stärkt die Resilienz
Menschen mit einer stark ausgeprägten Resilienz haben eine Verbindung zu ihrem inneren Potenzial, ihren Ressourcen und Qualitäten. Die Resilienzforschung hat festgestellt, dass resiliente Menschen selbstwirksam sind, also dass sie daran glauben, etwas bewirken zu können und somit Schöpfer ihrer eigenen Lebensrealität werden. Und wenn sie bestimmte Dinge im Außen nicht verändern können, finden sie kreative und konstruktive Wege, damit umzugehen.